Vor Bund-Länder-Treffen
02.11.2022

"Brauchen Rettungsschirm für Stadtwerke"

Der Präsident des Deutschen Städtetages, Markus Lewe, im Gespräch mit der "Passauer Neuen Presse" (PNP)
  • Porträtbild von Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetages

PNP: Welche Bedeutung hat das Treffen des Kanzlers mit den Ministerpräsidenten für die deutschen Städte und Kommunen?

Lewe: Das Bund-Länder-Treffen ist diesmal besonders wichtig. Wir brauchen klare Entscheidungen an mehreren Stellen, damit es Planungssicherheit für die Städte gibt.

Wir müssen wissen, wieviel Geld für die Aufnahme von Geflüchteten fließt und für den öffentlichen Nahverkehr. Und wir brauchen in der Energiekrise Klarheit für die Stadtwerke. Der Bund sollte sich einen Ruck geben und gemeinsam mit den Ländern Stadtwerke, denen die Pleite droht, mit einem Rettungsschirm absichern.

Wir warten seit Wochen auf eine solche Zusage. Jetzt muss das geklärt werden. Wir brauchen die Kraft der kommunalen Energieversorger, um durch die nächsten Winter zu kommen. Es ist nicht zu verantworten, die Stadtwerke bei den staatlichen Hilfen links liegen zu lassen.

PNP: Wie ist die aktuelle Lage in den Städten und Gemeinden, wo drückt der Schuh am meisten?

Lewe: Was wir aktuell erleben, verunsichert viele Menschen. Der Krieg Putins findet mitten in Europa statt, zerstört ein ganzes Land und zwingt die Menschen in der Ukraine zur Flucht. Die Solidarität in unseren Städten ist ungebrochen. Aber auch bei uns steigt der Druck. Die Sorge um die nächste Stromrechnung lässt viele Menschen unruhig schlafen. Die Preise beim Einkaufen, die Zinsen, die Inflation – alles steigt schneller, als wir das bisher kannten. Und nach wie vor schränkt die Corona-Pandemie unseren Alltag immer wieder ein. Mehr Krise geht fast nicht. Die Städte gehen mit all diesen Herausforderungen sehr bedacht um, auch in enger Zusammenarbeit mit Bund und Ländern. Denn wichtig ist, dass der Staat in dieser Situation Handlungsfähigkeit beweist. Die Menschen müssen spüren, dass an dauerhaften Lösungen gearbeitet wird ohne Zuständigkeitsgerangel. Alle Ebenen tragen Verantwortung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

PNP: Was sind die Folgen, wenn der Bundesfinanzminister nicht mehr Geld für die Aufnahme von Flüchtlingen locker macht?

Lewe: Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich der Bund einer weiteren Mitfinanzierung dieser Aufgabe entzieht. Wir stehen dazu: Die Städte nehmen ihre humanitäre Verantwortung für geflüchtete Menschen weiter wahr.

Aber Bund und Länder müssen uns bei der Unterbringung stärker unterstützen. Wir erwarten, wie die Länder, dass der Bund bei der Finanzierung der Aufnahme von Geflüchteten für dieses Jahr nachsteuert, weil die Zahl der Geflüchteten steigt.

Und auch 2023 muss sich der Bund an dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe deutlich beteiligen. Außerdem sollte er für ukrainische Geflüchtete die Unterkunftskosten voll übernehmen, so wie das 2015 und 2016 für anerkannte Asylbewerber der Fall war.

PNP: Und wie soll es bei den Mitteln für den Öffentlichen Personennahverkehr eine Einigung geben?

Lewe: Wir setzen da auf ein kluges Miteinander von Bund und Ländern. Die bisherige Zusage des Bundes von 1,5 Milliarden Euro für ein bundesweites ÖPNV-Ticket reicht nicht. Der ÖPNV muss schon lange mit milliardenschweren Finanzlücken kämpfen. Dieses Problem muss ebenfalls gelöst werden. Es darf nicht sein, dass nur auf ein günstiges Ticket geachtet wird. In vielen Städten müssen umweltfreundlichere Busse und Bahnen angeschafft und kürzere Taktzeiten realisiert werden. Das lässt sich nicht aus der Portokasse bezahlen.

PNP: Die Gemeinden können laut Steuerschätzung nicht nur in diesem, sondern auch im kommenden Jahr mit deutlich erhöhten Steuereinnahmen rechnen. Warum langt das nicht?

Lewe: Die zuletzt prognostizierten 4,9 Prozent mehr Steuereinnahmen für die Kommunen in diesem Jahr im Vergleich zum Vorjahr bedeuten nicht, dass sich die finanzielle Lage der Städte verbessern wird. Das Mehr an Steuereinnahmen schrumpft zusammen, wenn wir die Inflation und immer weiter steigende Preise gegenrechnen. Beides belastet die kommunalen Haushalte enorm und schränkt die Städte massiv ein. Wenn alles teurer wird, können auch die Städte von ihren Steuereinnahmen weniger kaufen. Gerade in für die Städte so zentralen Bereichen wie den Investitionen fürs Bauen oder der Energie sind die Preissteigerungen schwindelerregend. Neue Belastungen können die Städte daher nicht vertragen. Sonst landen wir bei sehr vielen Nothaushalten und müssen drastisch einsparen und wichtige Investitionen zusammenstreichen. Viele Projekte stehen dann auf der Kippe: beispielsweise bei Kita- und Schulausbau, Verkehrswende, dem Ausbau von Bussen und Bahnen, bei Digitalisierung und Klimaschutz.

Mit freundlicher Genehmigung der Passauer Neuen Presse - www.pnp.de